„Stadt Nagai zeichnet das Ehepaar Haußmann aus“

BADISCHE ZEITUNG

Freitag, 08.11.2024

Von Annemarie Rösch

Bad Säckingens japanische Partnerstadt Nagai hat erst kürzlich den 70. Geburtstag gefeiert. Regine und Peter Haußmann vom Freundeskreis Bad Säckingen-Nagai nahmen an den Feiern teil und erzählen davon im BZ-Interview.

Frau Haußmann, Herr Haußmann, wie sind Sie in Nagai anlässlich des 70. Geburtstags der Stadt empfangen worden?

Peter Haußmann: Wir sind sehr gastfreundlich empfangen worden. Überhaupt haben die Nagaier den Geburtstag unglaublich groß gefeiert. Bei der offiziellen Feier waren 500 Menschen, 350 von ihnen waren dann noch zum Essen eingeladen. Auch Delegationen aus den Partnerstädten in China und Tansania waren eingeladen.

Regine Haußmann:

Wir sind zu speziellen Ehrenbürgern der Stadt Nagai ernannt worden. Wir sind die ersten Ausländer, denen diese Ehre zu Teil wurde. Ich bin schon seit 42 Jahren beim Austausch mit Nagai dabei und war viele Jahre Vorsitzende des Freundeskreises. 2011 hat mein Mann dieses Amt übernommen.

Was fasziniert sie so an Japan, dass sie sich so viele Jahre für die Freundschaft zwischen Bad Säckingen und Nagai engagieren?

Peter Haußmann:

Bevor wir 1979 nach Bad Säckingen kamen und uns für die Städtepartnerschaft mit Nagai engagierten, waren wir fünf Jahre in Japan. Die Firma Ciba Geigy hatte mich dorthin entsandt. Damals lebten wir in der Nähe von Osaka. Nagai war für uns nur ein Fleck auf der Landkarte. Anders als viele andere Ausländer wollten wir nicht in typischen Ausländervierteln wohnen, sondern sind bewusst in ein ganz japanisches Umfeld gezogen. Dort waren wir die einzigen Ausländer.

Regine Haußmann:

Ich bin zwei Jahre lang auf eine Missionsschule gegangen, um Japanisch zu lernen. Wir hätten ja sonst nicht einmal ohne Dolmetscher zum Zahnarzt gehen können. Die Sprache ist ganz schön hart für uns. So gibt es eine Sprache, die eher Frauen und eine andere, die eher Männer benutzen. Ich habe öfter mal die Männerausdrücke verwendet ( lacht ). Zugleich habe ich eine Webschule besucht und dort auch verschiedene Färbetechniken kennengelernt. Die sind zum Teil anders als bei uns. Indigo ist die Grundfarbe der Kasuri-Weberei. Schildkröten oder Blumen sind häufige Muster.

Peter Haußmann:

Ich habe einen Töpferkurs besucht, weil ich etwas mit den Händen tun wollte. Der Kurs fand bei einer berühmten Töpferin statt, die in Europa ausgestellt hat. Das Töpfern in Japan gleicht dem bei uns. Man arbeitet an der Töpferscheibe.

Gibt es Fettnäpfchen, in die man treten kann, wenn man die Kultur nicht kennt?

Regine Haußmann: Die gibt’s. Wenn man zu Besuch ist, bekommt man Hausschuhe. Mit diesen sollte man auf keinen Fall in die Toilette gehen. Dafür stehen extra Schuhe parat. In den vergangenen 50 Jahren hat sich die Toilettenkultur enorm entwickelt in Japan. Früher haben die Männer überall hingepinkelt. Das ist heute nicht mehr so. Sogar den Blutdruck kann man auf einer japanischen Toilette messen. Es ist eine Ehre für japanische Kaufhäuser, besonders schöne Toiletten zu haben. Die öffentlichen Toiletten sind immer kostenlos.

Wie kam es damals zu den Kontakten zwischen Bad Säckingen und Nagai?

Peter Haußmann:

Ein Nagaier Bürger, Hiroshi Akama, war auf der Suche nach einer deutschen Partnerstadt, die Nagai entspricht. Der Mediziner hatte zuvor Deutsch gelernt. Auf Bad Säckingen kam er, weil es nahe des Schwarzwaldes liegt und einen Fluss hat. In Nagai gibt es zwei Flüsse und ein Gebirge. Dort gibt es ein tolles Skigebiet. Hiroshi Akama nahm Kontakt zu Bürgermeister Günther Nufer auf. 1981 reiste eine erste Delegation aus Bad Säckingen nach Nagai. Ein Zeitungskommentator schrieb damals, eine Partnerschaft mit Japan ginge an den Interessen der Bürgerinnen und Bürger von Bad Säckingen vorbei.

Regine Haußmann:

Ich kam damals auf die Idee, eine Ausstellung über japanische Volkskunst im Schloss Schönau zu machen, um das Interesse für Japan zu wecken. Wir bekamen Leihgaben des Museums der Kulturen in Basel, des Museums Bellerive in Zürich und von 20 privaten Leihgebern. Auch ein paar Werke aus Nagai waren dabei. Schirmherr war Rudolf Eberle, damals Wirtschaftsminister in Baden-Württemberg. Die Ausstellung war ein Riesenerfolg. Bei der Vernissage mussten die Türen geschlossen werden, so viele wollten hinein. Danach gab es einen Wandel im Denken. 1983 wurde die Städtepartnerschaft unterzeichnet und 1986 der Freundeskreis Bad Säckingen-Nagai gegründet.

Wie hat sich Nagai seither entwickelt?

Peter Haußmann:

Die Stadt besteht im Grunde aus fünf Dörfern, die sich vor 70 Jahren zusammengeschlossen und die Stadtrechte erhalten haben. Sie liegt auf einer Ebene. Zwischen den Dörfern gibt es Reisfelder. Auch heute noch. Inzwischen wurde ein großes, modernes Rathaus gebaut. Es steht in einem krassen Gegensatz zu manchen Häusern der Stadt, die recht bescheiden sind. Einen so geschlossenen Stadtkern wie in Bad Säckingen gibt es in Nagai nicht. Deshalb sind die japanischen Gäste oft ganz angetan von Bad Säckingen.

Was können wir von Nagai lernen?

Peter Haußmann: Die Sauberkeit im öffentlichen Raum ist enorm. Nirgendwo liegt eine Zigarettenkippe. Der Öffentliche Nahverkehr ist auch sehr gut ausgebaut. Kostenlose Parkplätze für Autos gibt es im öffentlichen Raum nicht. Dadurch wird der private Autoverkehr in Städten deutlich reduziert

Annemarie Rösch

Regine Haußmann (86) ist Fotografin. Die langjährige Vorsitzende des Freundeskreises Bad Säckingen-Nagai ist heute Ehrenvorsitzende des Vereins. Peter Haußmann (85) ist Chemiker. Seit 2011 ist er Vorsitzender des Freundeskreises.

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