Schildkröten und andere japanische Glückssymbole

Ausstellung der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Freundeskreis Nagai-Bad Säckingen 

2. bis 30. Juni 2024 Kulturhaus Villa Berberich

2024 kann die Villa Berberich auf 40 Jahre kultureller Nutzung zurückblicken. Dies ist Anlass großer Freude und eine besondere Form des Glücks. Die Deutsch-Japanische Gesellschaft Freundeskreis Nagai-Bad – Säckingen zeigt im Jubiläumsjahr „40 Jahre Kulturhaus Villa Berberich“ die Ausstellung „Schildkröten und andere japanische Glückssymbole“. Gezeigt werden Holzschnitte, Kimonos, Inrō, Netsuke, Rollbilder, Stellschirme und weitere Textilien, Holz- und Metallarbeiten aus Privatsammlungen in Zusammenarbeit mit der Japanologin und Kunsthistorikerin Dr. Susanne Germann, die die Ausstellung wissenschaftlich kuratiert. Ergänzt wird die Schau durch Leihgaben der Stadt Bad Säckingen.

Das Rahmenprogramm beinhaltet Führungen, zwei Vorträge, und ein Biwa-Konzert (mandolinenartiges, viersaitiges japanisches Musikinstrument, das mit einem breiten Plektrum gespielt wird). An den beiden letzten Öffnungstagen wird eine Präsentation von Bonsai zu sehen sein.  Zur Finissage am 30. Juni spielen Kaori Yano, Violine und Tomohisa Yano, Violoncello, japanische Volksweisen.

Im Vergleich mit der mehr als viertausendjährigen Geschichte Chinas hat Japan keine vergleichbar lange hochentwickelte Kulturgeschichte vorzuweisen, doch viele Geistesströmungen sind zeitverzögert, zumeist über den Landweg über Korea, übernommen worden und haben in Japan erst allmählich eine eigenständige Prägung erhalten. Die Mythen- und Sagenwelt mit ihren religiösen Vorstellungen hat teilweise eigenständige Formen entwickelt, die sich besonders in den Glücksvorstellungen manifestiert und schließlich ihren Ausdruck in der Kunst, im Kunsthandwerk und Brauchtum gefunden hat.

In den Glückvorstellungen der japanischen Mythen findet sich das Glück im Leben selbst, in der sich ständig erneuernden Existenz, welche als Glück und als Wunder in diese Welt eintritt. Glück wird japanisch mit fuku 福oder auch dem sinojapanischen Kompositum kōfuku 幸福 bezeichnet. Der Bestandteil fuku bezieht sich dabei eher auf das materielle Wohlergehen, während , das auch als sachi, saiwai und shiawase gelesen werden kann, sich auf das Gebiet des menschlichen Zusammenlebens bezieht, überall dort, wo sich Menschen gegenseitig Freude und Glück schenken, wenn gleich nie ganz unabhängig von der Natur und dem Übernatürlichen.

Im Tango-fūdoki, der „Landesbeschreibung von Tango“ aus dem frühen 8. Jahrhundert und fast zeitgleich im Nihongi, den Reichsannalen, in Form eines historischen Berichts, wird die Sage von Urashima no Ko (auch: Urashima Tarō) aus der japanischen Volksüberlieferung berichtet. Sie handelt von einem Fischer, der auf geheimnisvolle Weise in den jenseitigen, paradiesischen Palast des Meeresgottes gelangt, um dort ein Leben voller Glück zu genießen. In der Ehe mit der Tochter des Meerkönigs findet Urashima no Ko die höchste Glückseligkeit und vergisst Zeit und Raum. Am Ende muss er aber bitter für seinen Ausflug in die paradiesische Glückseligkeit bezahlen.

Im Tango-fūdoki wird von einem gewissen Shimako erzählt, „schön von Wuchs und Gestalt,

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und sein vornehmes und feines Wesen hatte nicht seinesgleichen. Er ist derjenige, den man auch Urashima no Ko von Mizunoe nennt.“ Er fuhr allein aufs Meer hinaus und angelte in drei

Tagen und drei Nächten nicht einen Fisch. Dann fing er eine fünffarbige Schildkröte, über die er

sich verwunderte. Während er schlief, verwandelte sich die Schildkröte in eine überaus schöne

Frau. Auf Shimakos Fragen, woher sie gekommen sei, antwortet sie schließlich, sie sei zusammen mit dem Wind und den Wolken gekommen und sei ein Kind aus dem Hause himmlischer Geister. Trotz anfänglicher Scheu Shimakos über dieses Götterwesen verliebt er sich in sie und sie fragt ihn auch sogleich, ob er sie liebe und bereit sei, mit ihr zu gehen … So nimmt das Unheil seinen Lauf, Shimako ehelicht die Prinzessin Schildkröte im Land der Ewigkeit, er bleibt drei Jahre im Meerespalast und als er doch wieder zu den Menschen zurückkehren möchte, lässt sie ihn nur ungern ziehen, gibt ihm ein Kästchen mit auf den Weg, das er nicht öffnen darf, damit er gegebenenfalls zu ihr zurückkehren kann. In seinem Heimatdorf angelangt, muss Shimako erfahren, dass inzwischen dreihundert Jahre vergangen sind, keiner der Dorfbewohner kennt ihn mehr, ermattet und sich verlassen fühlend, öffnet er das Kästchen – da erkennt er, dass er seine Frau für immer verloren hat und weint: „Voller Runzeln die Haut, die so jung gewesen, weiß das Haar, das zuvor noch so schwarz, stockte ihm schließlich der Atem und sein Leben erlosch.“ Dies ist das Motiv, das sich auf dem Ausstellungsplakat befindet: Der Fischer, auf einer Schildkröte sitzend, mit seiner Angelrute hält seine Linke auf dem Kästchen – er hat es bereits geöffnet und sein Gesichtsausdruck zeigt, wie seine Seele im Begriff ist, in eine andere Existenz einzutauchen.

Erst seit der frühen Edo-Zeit (1600-1868) ist Glück zunehmend an materiell-diesseitige Vorstellungen gebunden, wie es sich besonders gut in den zahlreichen Darstellungen der Sieben Glücksgötter aufzeigen lässt – alle Figuren samt ihrer Attribute können sich von nun an auch einzeln und wiederum in völlig neuen Kontexten als Glücksbringer zeigen. Im modernen Japan wird die Suche nach dem Glück vor allem auf den materiellen Bereich gewendet, Glück ist erfolgsbezogen und zeigt sich in der Erfüllung individueller Wünsche und Hoffnungen wie Erfolg im Beruf, materieller Wohlstand, Sicherheit und Gesundheit. Glücksbringer werden nicht mehr nur am eigenen Körper und in der häuslichen Umgebung, sondern auch am Arbeitsplatz und im Auto, platziert.

Heutzutage sind Darstellungen von Schildkröten, Kranichen, Hirschen und Rehen, Füchsen, Löwen, Katzen und anderem mehr weiterhin Ausdruck davon, das Glück an Neujahr, zu Festen, bei besonderen Anlässen und auch im Alltag zu sich einzuladen und dem Betrachter zu symbolisieren, er steht in der Welt nicht allein.

Die Ausstellung wird von der Sparkassen-Kulturstiftung Bad Säckingen unterstützt.

Dr. Susanne Germann