Von der Villa zum Kulturhaus

BADISCHE ZEITUNG
Mittwoch, 28.02.2024
von Roswitha Frey

Vor 150 Jahren wurde die Villa Berberich in Säckingen erbaut. Sie hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich: zuerst Fabrikanten-Wohnsitz, dann Parkkrankenhaus, schließlich seit 40 Jahren städtisches Kulturhaus.

BAD SÄCKINGEN
Die Familie Berberich spielte mit ihren Textilfabriken für das gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Leben Säckingens eine bedeutende Rolle. Das reicht zu Ignaz Berberich zurück, der 1779 Kammerdiener bei der letzten Äbtissin des adeligen Damenstifts wurde, später eine Schneiderei eröffnete und damit den Grundstein für den Familienbetrieb legte. Ignaz Berberich II., so hat Stadtarchivarin Eveline Klein in intensiven Recherchen herausgefunden, hatte das alte Rathaus in Säckingen gekauft, dieses abbrechen und einen Neubau, wohl Geschäft und Wohnhaus, errichten lassen – an der Stelle, wo sich heute Foto Forstmeyer befindet.

Sein Sohn, der Textilfabrikant Ignaz Berberich III., der Erbauer der Villa Berberich, geboren 1833 und verstorben 1912, wollte in der Nähe seiner Fabrikanlagen ein standesgemäßes Domizil für die Familie bauen, mit großem Garten. „Wie das damals üblich war, waren die Villen der Fabrikanten oft angelehnt an Adelswohnsitze oder Schlösser“, erklärt Stadtarchivarin Eveline Klein. Schließlich seien die Fabrikanten, die sich so stattliche Gebäude leisten konnten, damals „der neue Adel“ gewesen. Ignaz Berberich III. erwarb 1867 für 530 Gulden ein städtisches Grundstück auf der Oberen Flüh, in der Nähe der familieneigenen Textilunternehmen. Um das Grundstück zu erhalten, verpflichtete er sich vertraglich, den Park öffentlich zugänglich zu machen und „den Badgästen und anderen anständigen Personen“ Zugang zu den Anlagen zu gewähren. Seinerzeit waren die Säckinger Quellen sehr bekannt und wurden gern besucht, wie Eveline Klein weiß. Von dem Vertrag, den Park für die Öffentlichkeit offen zu halten, habe sich Berberich um 1900 wieder „losgekauft“.

Jedenfalls ließ Berberich 1874 die imposante Villa erbauen und das prächtige Gartenareal anlegen, das später noch erweitert wurde. Es sei anzunehmen, so die Stadtarchivarin, dass Ignaz Berberich mit seiner Familie und dem Personal in der Villa wohnte, die übrigens nicht „Villa Berberich“, sondern in der Familie „Die Flüh“ genannt worden sei. Verheiratet war Ignaz Berberich mit Gottwina (auch Godwina geschrieben) Grass, die ebenfalls aus einer interessanten Familie stammte. Ihr Vater Michael Grass war ein Holzhändler und Bierbrauer, der 1830 das Schloss Schönau gekauft hat, eine Brauerei und im Schlosspark eine Gastwirtschaft mit Kegelbahn betrieb, in der auch Josef Victor von Scheffel verkehrte. Jedenfalls habe dieser, so Eveline Klein, in einem Brief an seine Großmutter davon geschrieben, dass er in einer Sommerwirtschaft im Schatten alter Kastanienbäume und dem Rauschen der Rheinwellen seine Abende verbringe. Das Ehepaar Berberich hatte fünf Kinder. Es sei wohl davon auszugehen, dass in der Familienvilla auch Gesellschaften gegebenwurden, obwohl davon nichts überliefert sei, so Klein. Der Grundriss der Räume verzeichnete ein sogenanntes „Herrenzimmer“. Wie Eveline Klein sagt, habe auch Ignaz Berberichs Bruder Josef eine Villa mit Park in Säckingen gebaut, die später der Landsitz des Landrats wurde und inzwischen abgerissen ist.
Wenig weiß man über Ignaz Berberich IV., der mit Anna Becker verheiratet war und 1921 während einer Kur in einem Sanatorium in Konstanz verstarb. Der letzte Bewohner der Villa Berberich aus der Familie war Otto Kurt Berberich, der ledig blieb und 1937 ohne Nachkommen starb. Er hatte einen Teil der Villa vermietet. So wohnte eine Zeitlang die Familie des Unternehmers Carl Denk, Chef der Mechanischen Buntweberei Brennet, in der Villa, bis das Gebäude 1940 einer anderen Nutzung zugeführt wurde.

Nach einigen Umbaumaßnahmen wurde in der Villa die Innere Abteilung des Krankenhauses eingerichtet. In diesem „Parkkrankenhaus“ kam im Untergeschoss 1951 noch eine Bäderabteilung hinzu, die als eine der fortschrittlichsten am Oberrhein galt. Als 1980 das neue Kreiskrankenhaus gebaut wurde, war das Kapitel „Parkkrankenhaus“ zu Ende. 1984 wurde nach erneutem Umbau das städtische Kulturhaus eröffnet.

Seit 40 Jahren werden die Räume der repräsentativen Villa für wechselnde Ausstellungen der Stadt und des Kunstvereins Hochrhein genutzt. Außerdem sind das von den Mineralienfreunden Hochrhein-Fricktal betreute Mineralienmuseum, die Fasnachtsmaskenschau und das Archiv des Schwarzwaldvereins im Haus untergebracht, in dem sich auch die Mitglieder des Vereins Schlarrafia Sacrodonum treffen. Die einstige Fabrikantenvilla ist ein Ort der Kreativität, der Kunst, der Kultur, der Begegnung geworden, wo aktuell noch Kurse in Seidenmalerei, Holzschnitzen, Holzschnitt und Tai-Chi abgehalten werden. Das Café im Erdgeschoss lädt mit seinem stilvollen Ambiente ebenso zum Verweilen ein wie der schöne Park mit Teich, den ein japanisches Torii schmückt.
Die Villa Berberich: Vortrag von Stadtarchivarin Eveline Klein über die Berberichs 2. März, 18 Uhr, Villa Berberich.

https://ezeitung.badische-zeitung.de/issue.act?issueId=1034036&token=_HKKYM7gZdyVgsai__GEEgbWmmAy862oI5VmIAz3mWg4rd8sTYzdF3YtgtCsgvSPpnWwk-oxwffLGSOvTkrs_cdGSGzLroTG-MTqP__4i-S5ufVKjCsxvXYT1vLuWMT73AIxCHjd9Dm2z7STAmKztQ%2C%2C