Faszinierter Blick auf eine ganz andere Kultur

Beitrag der BADISCHEN ZEITUNG

von Michael Gottstein

vom 22.09.2023

Vom 22. bis 24. September werden in Bad Säckingen die fünf Städtepartnerschaften gefeiert. In einer Serie stellt die BZ die Partnerstädte vor: Nagai in Japan wurde vor 40 Jahren Partnerstadt.

Manchmal sind es historische und kulturelle Gemeinsamkeiten, die als Fundament einer Städtepartnerschaft dienen. Manchmal ist es aber auch die Faszination für eine weit entfernte und ganz andere Kultur – vorausgesetzt, es gibt Persönlichkeiten, die den Austausch am Leben halten. Dies ist der Fall bei der Beziehung von Bad Säckingen und der japanischen Stadt Nagai.
Am Hochrhein sind es besonders Regine und Peter Haußmann, die sich in der 1986 gegründeten Deutsch-Japanischen Gesellschaft/Freundeskreis Nagai-Bad Säckingen engagieren. Beide sind Japan-erfahren, denn Peter Haußmann hatte in den 1970-er Jahren dort zu tun. Regine Haußmann begleitete ihn und nahm in Japan Webunterricht in einer Missionsschule. Auf japanischer Seite war es vor allem der Zahnarzt Hiroshi Akama, der sich um den Aufbau der Beziehungen zu Bad Säckingen bemühte. Ein Anstoß zur Jumelage bildete aber doch eine Gemeinsamkeit: In der Nähe von Nagai befinden sich Berge, die für Wintersport geeignet sind. Als sich eine Gruppe von Skifahrern in Lörrach aufhielt, stellte Fritz Gisy, stellvertretender Vorsitzender des Badischen Sportbundes, den Kontakt zu Bad Säckingen her. Es folgten gegenseitige Besuche, und schließlich wurde unter den Bürgermeistern Itaro Saito und Günther Nufer die Partnerschaft begründet.
Die Beziehungen Japans zu Deutschland gehen auf das 19. Jahrhundert. 1861 wurde ein Freundschaftsvertrag mit Preußen geschlossen. Japan lernte den Aufbau eines modernen Staatswesens; auch die klassische Musik Europas wird in Fernost hoch geschätzt. Umgekehrt erfasste eine Welle der Japan-Begeisterung Europa. Die Meister des Impressionismus und des Jugendstils ließen sich von japanischen Holzschnitten beeinflussen.
Die Faszination hat seither nicht nachgelassen. Auch wenn gegenseitige Besuche nicht allzu häufig sind – zurzeit ist die Verwaltung in Nagai ausgelastet – bietet die Deutsch-Japanische Gesellschaft regelmäßig Kurse in Kalligraphie, Ikebana und Origami an; das Erzähltheater Kamishibai ist beliebt und bei Lesungen in der Stadtbücherei kaum wegzudenken. Dank der guten Kontakte des Ehepaares Haußmann zum japanischen Konsulat organisiert die Gesellschaft hochkarätige Ausstellungen, etwa von Prachtfotos zur japanischen Architektur und zur Gartenkunst der Kaiserstadt Kyoto, von japanischen Farbholzschnitten und japanischer Keramik, die auch hiesige Künstler inspiriert.
An eine weitere Gemeinsamkeit und amüsante Anekdote erinnert sich Günther Nufer: Bei dem freundschaftlichen Wettstreit, ob denn nun Bad Säckingen oder die nicht weit von Nagai entfernte Stadt Iwakuni die längste Holzbrücke besitzt, reiste eine Delegation aus Bad Säckingen nach Japan. Da Nufer verhindert war, wurde er von seinem damals 20-jährigen Sohn Jan Martin vertreten. „Wir tun uns manchmal schwer, das Alter von Japanern richtig einzuschätzen, und umgekehrt ist es genauso, daher dachten die Japaner, mein Sohn sei der Bürgermeister.“
Nun liegt die Stadt Nagai zwar in einer alten Kulturregion, aber ihr Zentrum ist eher modern-funktional gestaltet und verfügt über keine städtebaulich verdichtete Altstadt wie Bad Säckingen, da Nagai in den 1950-er Jahren durch die Zusammenlegung mehrerer Dörfer entstand. Punktuell findet man aber immer wieder Tempel, Gärten und einzelne historische Bauernhäuser von großer Schönheit. Ein touristischer Pluspunkt ist zweifellos die Landschaft: Die Stadt liegt an einem Fluss und ist von Bergen umgeben, was sich 2011 als großes Glück erwies. Nagai war von dem Erdbeben und dem Tsunami wenig betroffen, und die Berge schützten die Stadt vor radioaktiven Immissionen. Gepflegt wird die Tradition der Gartenkunst. Nagai liegt nordwestlich der Hauptstadt Tokio in der Präfektur Yamagata und hat knapp 27.000 Einwohner. Der Vorsitzende des Freundeskreises in Bad Säckingen ist Peter Haußmann.